next up previous contents
Next: Paradigmen und normale Wissenschaft Up: Paradigmenwechsel in der Physik Previous: Newton: Vereinigung von irdischer

Die Kuhnsche Wissenschaftstheorie

War das Vorgehen Kopernikus' nach rationalen Gesichtspunkten wissenschaftlich? Aus heutiger Sicht sicherlich nicht, da er nach platonischem Vorbild weiterhin Kreisbahnen forderte, für die es keine experimentelle Bestätigung gab. Zudem unterschied sich sein geozentrisches Modell nach Hinzunahme von Ausgleichsepizykeln hinsichtlich der Komplexität vom ptolemäischen nicht mehr sonderlich (s. Abb. 5).


 
Abbildung: Vergleich zwischen ptolemäischen (links) und kopernikanischen Weltbild (rechts) bei Hinzunahme von Epizykeln ([Sim86]).
\begin{figure}
\begin{center}
\epsfbox{kop_ptol.eps}
{\it }
\end{center}\end{figure}

Die von Kopernikus gewünschte Einfachheit und Ästhetik ergab sich also nur für ein System, das die gemessene Wirklichkeit nicht beschrieb. Dazu folgten innerhalb des aristotelischen Weltbildes aus einem nicht geozentrischen System weitere Ungereimtheiten: Wieso suchten Gegenstände ihren natürlichen Platz im Erdmittelpunkt, wenn dieser nicht mit dem Mittelpunkt des Kosmos zusammenfiel? Wieso bemerkte man die Bewegung der Erde nicht? Das Trägheitsgesetz hätte zur Beantwortung dieser Frage hinzugezogen werden müssen, es war jedoch noch nicht formuliert. Kopernikus konnte die aristotelische Theorie nicht nach dem falsifikationistischen Prinzip um ein heliozentrisches Weltbild erweitern, da dies zu obigen Widersprüchen geführt hätte. Erst Newton konnte das aristotelische Weltbild als Ganzes verwerfen und durch ein neues ersetzen, dies wäre ihm jedoch ohne die Voruntersuchungen Kopernikus', Keplers und Galileis unmöglich gewesen, wobei diese ihrerseits wiederum auf das aristotelische Weltbild als Grundlage ihrer Forschungstätigkeit angewiesen waren.
Die Kopernikanische Wende11 ist nach Kuhn ein Standardbeispiel für einen Paradigmenwechsel: Das Paradigma des aristotelischen Weltbildes wird solange beibehalten, bis die experimentellen Befunde ihm derart stark widersprechen, daß es durch ein neues Weltbild abgelöst werden muß, wobei der Übergang mehrere Zeichen einer Revolution trägt. Wir wollen nun die Begriffe der Kuhnschen Wissenschaftstheorie genauer erläutern.


 
Abbildung 6: Die verschiedenen Phasen im Fortschritt der Wissenschaft nach Kuhn
\begin{figure}
\begin{center}
\epsfbox{wissensvermehrung2.eps}
{\it }
\end{center}\end{figure}



 
next up previous contents
Next: Paradigmen und normale Wissenschaft Up: Paradigmenwechsel in der Physik Previous: Newton: Vereinigung von irdischer
Tim Paehler
1998-10-04