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Der Begriff des Paradigmas

Da der Begriff des Paradigmas, wie Kuhn ihn in seinen Ausführungen benutzt, einiges an Verwirrung erzeugt hat, ist es wichtig, seine Bedeutung(en) enger zu fassen13. Das Wort Paradigma ist nach Kuhn von zweifacher Bedeutung. Zum ersten kennzeichnet er die Paradigmen in engem Bedeutungszusammenhang mit dem Begriff der wissenschaftlichen Gemeinschaft als deren konstituierende Elemente, wobei zunächst noch unerwähnt bleiben soll, was diese genau sind. (Man erkennt, daß die Kuhnsche Wissenschaftstheorie damit eine starke soziologische Komponente erhält, was sie von der logisch orientierten Wissenschaftstheorie seiner Vorgänger scharf abgrenzt14.)
Die zweite Bedeutung des Paradigmas lehnt sich an an die wörtliche Übersetzung des Musterbeispiels. Es läßt sich genauer bezeichnen als mustergültiges Vorgehen bei der Lösung eines speziellen Problems. Betrachtet man nämlich ein Lehrbuch der Physik, so wird im allgemeinen die Mächtigkeit einer Theorie durch einige Lösungsbeispiele belegt, z.B. die Berechnung des Mondbahnradius aus der Erdmasse als Anwendungsbeispiel für die Newtonsche Mechanik oder die Lösung von Randwertaufgaben mit Hilfe der Maxwellschen Gleichungen in der Elektrodynamik.
Das praktische Erlernen einer Wissenschaft besteht nach Kuhn nun vor allem in dem Lösen von Übungsaufgaben, deren Ähnlichkeit mit dem Musterbeispiel vom Studenten oder Schüler herausgearbeitet werden muß, um die Aufgabe selbständig zu lösen.
Die Gleichsetzung der ersten Bedeutung des Paradigmas mit der zweiten durch Kuhn zeigt, daß die konstituierenden Elemente der Wissenschaftler vor allem in ihrer gemeinsamen Ausbildung durch Adaption von Musterbeispielen zu finden sind.


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Tim Paehler
1998-10-04