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Kommunikation als Basis für Vertrauen

Die aus den Forschungen am Mental Research Institute Palo Alto hervorgegangenen Untersuchungen, [#!WBJ69!#], formulieren Axiome der Kommunikation, die ihre Wurzeln in der systemtheoretischen Betrachtung von sozialen Strukturen haben:

1.
`Es ist unmöglich, nicht zu kommunizieren.'
Versteht man Kommunikation generalisiert als Übertragung von Information, so ist das Fehlen von Information ebenfalls eine Information. Übertragen auf die Praxis: Körpersprache, Schweigen oder das komplette Ausbleiben einer Reaktion liefert dem Kommunikationspartner ebenso eine Information wie eine explizit ausgesprochene.33

2.
`Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt, derart, daß letztere den erstern bestimmt und daher eine Metakommunikation ist.'
Bezogen auf die Problematik in 1.3.1 können wir sagen, wer kommuniziert, macht bereits durch die Art wie er kommuniziert eine Aussage über seine Aussage. Wenn ein Kommunikationsteilnehmer z.B. seinen Partner wütend anschreit, stellt er dadurch bereits unabhängig vom Inhalt der Mitteilung seine Beziehung zu ihm dar.34

3.
`Die Natur einer Beziehung ist durch die Interpunktion der Kommunikationsabläufe seitens der Partner bedingt.'
Interpunktion ist hier (analog zur Satzlehre) die Bildung von Untereinheiten in einem endlosen Fluß. Bezogen auf 1.3.1: Die Aussage `Diese Aussage ist falsch.' ($A: \neg A$) kann man auf zwei verschiedene Arten interpunktieren: 1. `Die Aussage ist richtig, denn wäre sie falsch, müßte sie ebenfalls richtig sein.' ( $A \Rightarrow \neg A \Rightarrow A$) 2. `Die Aussage ist falsch, denn selbst wenn sie richtig wäre, wäre sie falsch.'( $ \neg A \Rightarrow A \Rightarrow \neg A$)35 Übertragen auf die Praxis läßt sich dies im Beispiel des (zweistufig rekursiven) Dialogs eines Ehepaars veranschaulichen: `Ich meide Dich, weil Du nörgelst!' - 'Ich nörgle, weil Du mich meidest!' (s. Abb. 4).


 
Abbildung: Beispiel für verschiedenartige Interpunktion: Der Ehemann nimmt die Triaden 2-3-4, 4-5-6, 6-7-8, etc. wahr, die Ehefrau hingegen die Triaden 1-2-3, 3-4-5, 5-6-7, etc. [Watzlawick et al. 1969]
\begin{figure}
\begin{center}
\epsfbox{interpunktion.eps} {\it }
\end{center}\end{figure}

4.
`Menschliche Kommunikation bedient sich digitaler und analoger Modalitäten. Digitale Kommunikationen haben eine komplexe und vielseitige logische Syntax, aber eine auf dem Gebiet der Beziehungen unzulängliche Semantik. Analoge Kommunikationen dagegen besitzen dieses semantische Potential, ermangeln aber die für eindeutige Kommunikation erforderliche logische Syntax.'
Die hier angesprochenen Komponenten lassen sich auf verschiedene Begriffspaare abbilden: Logik und Intuition, Gesetz und Moral, (und im Hinblick auf Axiom 2) Inhalt und Beziehung.

5.
`Zwischenmenschliche Kommunikationsabläufe sind entweder symmetrisch oder komplementär, je nachdem, ob die Beziehung zwischen den Partnern auf Gleichheit oder Unterschiedlichkeit beruht.'36
Hier geht das Vorzeichen des Rückkopplungsmechanismus in den Prozeß ein: läßt eine Vertauschung der Partner, bzw. der Äußerungen den Prozeß invariant, so handelt es sich um symmetrische Interaktion, bei einer Umkehrung des Prozesses liegt eine komplementäre Interaktion vor. Eine symmetrische Kommunikation findet i.a. zwischen gleichberechtigten Partner statt, Beispiel für ein komplementäres Verhältnis ist z.B. das von Mutter und Kind, Lehrer und Schüler, etc.



Wir wollen die Axiome nun auf das Gefangenendilemma anwenden:37 Angenommen, Spieler a in dem obigen Spiel möchte Spieler b zur Kooperation bewegen. Dann teilt er ihm dies in einem Akt der Kommunikation mit, der inhaltlich etwa `Ich werde kooperieren.' lauten könnte und auf Beziehungsebene die Aussage `Ich sage die Wahrheit.' transportieren soll, Spieler b entscheidet anhand der Interpunktion der aufgenommenen Information, wie er reagiert: Hat Spieler a z.B. Angst, daß Spieler b glauben könnte, a wolle ihn betrügen, so kann dies sich in Unsicherheit (also auf der Beziehung- bzw. Metakommunikationssebene) beim Mitteilen äußern. b kann diese Unsicherheit dann verschieden interpunktieren:

1.
a hat Angst, b könnte seine Absicht, ihn zu betrügen, erkennen.

2.
a hat Angst, b könnte glauben, daß a ihn betrügen will, obwohl dies nicht der Fall ist.

Angenommen b entscheidet sich für Möglichkeit 1, dann wird seine Reaktion (er reagiert auf eine bestimmte Weise immer, da auch sein Schweigen in dieser Situation als Kommunikationsakt - nämlich auf Metakommunikationsebene - betrachtet werden muß) entsprechend gefärbt sein. Entweder explizit digital, indem er sagt `Ich glaube, Du willst mich betrügen.' oder in analoger Form, indem er durch Mimik oder Gestik diese Einstellung sichtbar macht (durch mißtrauische Blicke etc.). Spieler a kann nun wiederum anhand der Reaktion von b entscheiden, inwieweit sein Überzeugungsversuch Erfolg gehabt hat, wodurch b wiederum aus a's Reaktion Rückschlüsse ziehen kann usw.


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Tim Paehler
1999-03-23