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Die frühe Neuzeit: Kopernikus, Kepler, Galilei, Descartes

Nikolaus Kopernikus (1473 - 1543) ist in seinen Studienjahren sehr wahrscheinlich mit den Auffassungen des Aristarchos von Samos konfrontiert worden. Da ihm das ptolemäische System bezüglich einer platonischen harmonischen Weltsicht nicht zusagte (es war vor allem die Einführung der Äquanten, also die Abkehr von reinen Kreisbahnen, die ihm nicht behagte), stellte er in seinem Werk de revolutionibus orbium coelestium die Hypothese eines heliozentrischen Weltbildes auf, in dem sich die Planeten in Kreisbahnen um die Sonne bewegen. Interessant ist dabei sicherlich die Argumentation Kopernikus': Er beschrieb sein Werk, das erst kurz vor seinem Tode veröffentlicht wurde, als eine Möglichkeit der Darstellung unter vielen, mathematisch äquivalent zu einem vereinfachten ptolemäischen geozentrischen Weltbild. Lediglich aus Gründen der Ästhetik und Einfachheit und unter Berufung auf antike Ideen verteidigt er seine Sicht. Es ist weiterhin zu bemerken, daß das kopernikanische System rechnerisch und in Bezug auf die Praxis keinen Vorteil brachte, was darauf beruht, daß die Planeten auf Ellipsenbahnen laufen, und Kopernikus ebenso wie Ptolemäus auf Ausgleichsepizykeln zurückgreifen mußte, um den Messungen zu entsprechen.
Das kopernikanische System hat daher zunächst lediglich in philosophischen Kreisen Resonanz gefunden (z.B. bei Giordano Bruno (1548 - 1600)), während die Astronomen weiterhin dem ptolemäischen Weltbild und ihrer Verfeinerung durch die genauen Messungen Tycho Brahes (1546 - 1601) anhingen.

Erst durch Brahes Schüler Johannes Kepler (1571 - 1630), der anhand der ihm vorliegenden genauen Daten und seines mathematischen Talents die noch heute in der Schule gelehrten Keplerschen Gesetze entdeckte, wurde die kopernikanische Idee weiterentwickelt. Kepler brachte dabei seine Forschungen mit der Zahlenmystik der Pythagoräer und der platonischen Lehre von der Weltharmonie in Einklang. Trotz dieser - bei Kopernikus z.B. eher hinderlichen - Sichtweise war er ein genauer Beobachter und nahm die Meßergebnisse sehr ernst. Kepler suchte auch nach den physikalischen Prinzipien der Bewegungen der Himmelskörper (er vermutete einen Zusammenhang zu dem durch Gilbert (1544 - 1603) beschriebenen Phänomen des Erdmagnetismus), konnte sie letztlich aber nicht erklären, so daß sich Newton schließlich dieser Aufgabe annahm.

Der wohl populärste Konflikt zwischen dem aristotelischen Weltbild und der neuzeitlichen Physik entstand durch die Veröffentlichungen Galileo Galileis (1564 - 1642). Im Dialogo, eine von ihnen, rechnete er vor allem mit dem geozentrischen System und der Unterscheidung von himmlischer und irdischer Physik ab. Infolge seiner Äußerungen unter Hausarrest gestellt, verfaßte er die Discorsi, das zweite wichtige Werk, in dem er seine Untersuchungen zur Bewegungslehre veröffentlichte. Seine kinematischen Untersuchungen zum freien Fall mit Hilfe der schiefen Ebene stellen dabei einen entscheidenden Punkt in der Hinwendung zur modernen experimentellen Überprüfung von Theorien dar.
Die von Galilei praktizierte Methode wird dabei von den Philosophen René Decartes (lat. Cartesius, 1596 - 1650) und Francis Bacon (1561 - 1626) in ihren Werken über das wissenschaftliche Vorgehen bei der Wahrheitsfindung mit einer theoretischen Basis versehen. Descartes schuf auch seinerseits ein eigenes Weltbild, mit dem er das aristotelische abzulösen gedachte. In diesem Weltbild sollte die himmlische und irdische Physik gleichen Gesetzmäßigkeiten gehorchen und die Bewegung der Himmelsgestirne durch die Verwirbelungen eines allgegenwärtigen Äthers plausibel gemacht werden. Überhaupt war es das Ziel Descartes, jedes physikalische Phänomen auf eine Korpuskularmechanik zu reduzieren, in der es keine Fernwirkung, sondern lediglich durch Stöße übertragene Kräfte geben sollte. Diese Auffassung wurde auch von Huygens, einem herausragenden Experimentator wie Theoretiker verfolgt. Newton versuchte zunächst ebenfalls, die vom Standpunkt der Einfachheit reizvolle Forderung nach der Reduktion jeglicher Phänomene auf die Korpuskularmechanik in seine Theorien aufzunehmen, die Erscheinungen widersprachen diesem aber, so daß er die Gravitationskraft als gegeben und nicht weiter erklärbar postulieren mußte. Der von Descartes eingeschlagene Weg wird jedoch trotzdem für die moderne Physik als sehr wichtig angesehen, da er die heute geläufige rationale Denkweise begründete.


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Tim Paehler
1998-10-04